Blut und Nerv am menschlichen und tierischen Auge
Zum neueren Kenntnisstand eines zentralen anthropologischen Themas in der anthroposophischen Menschenkunde.
Zusammenfassung
Die anthroposophische Menschenkunde zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie die Dualität von körperlichen und seelischen Erscheinungen zu überwinden versucht und den Menschen als eine leiblich-seelisch-geistige Einheit deutet. Exemplarisch verweist Steiner wiederholt auf das Auge des Menschen und der Wirbeltiere, um das Blut- und Nervensystem zueinander und in ihrem Verhältnis zu den Seelentätigkeiten „Sympathie“ und „Antipathie“ zu veranschaulichen. Demnach sei das Auge der Tiere stärker durchblutet und von „Sympathie“ durchdrungen als das menschliche Auge, wodurch der Mensch zur Umwelt mehr vorstellend-erkennende „Antipathie“ habe als das Tier. In der vorliegenden Untersuchung werden die Ergebnisse der neueren Forschung zum Auge zusammengetragen und dargestellt. Dabei zeigt sich, dass Steiners Auffassung namentlich zur Physiologie des Auges zeitgebunden und veraltet ist, den aktuellen Kenntnissen teilweise widerspricht und sich daher wenig eignet, das Verhältnis von Tier und Mensch im Sinne einer grundsätzlichen Unterscheidung zu charakterisieren. Vielmehr erweist sich, dass die neueren Kenntnisse zum Auge bzw. zum Sehsystem besser geeignet sind, um die geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse zum Ich-Wesen des Menschen zu veranschaulichen und das Verhältnis Tier-Mensch zu charakterisieren.
Das Fazit aus unseren Untersuchungen zum Auge von Tier und Mensch lautet deshalb: Nicht Steiners geisteswissenschaftliche Erkenntnisse zum Wesen des Menschen müssen revidiert werden, sondern sein Bild, das er von den leiblichen Sachverhalten am Auge vermittelt. Dieses Bild ist veraltet und muss bei der Beschäftigung mit Steiners Vorträgen dringend erneuert werden. Dies wird den Kern von Steiners Blick auf den Menschen nicht beschädigen, vielmehr wird er ihn wesentlicher machen und zu einem differenzierteren Verständnis des Menschen beitragen.
Publikation: Jahrbuch für Goetheanismus 2013. Die Publikation kann hier heruntergeladen werden:
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Kritik 1: Die Veröffentlichung hat in der Wochenschrift "Das Goetheanum" durch M. Gädeke heftigen Gegenwind erfahren. Die Rezension ist von mir kommentiert im nachfolgenden PDF zu lesen
Rezension im "Goetheanum" |
Kritik 2: Eine weitere Kritik ist im Jahrbuch für Goetheanismus 2015 von C.A. May erschienen. Diese und meine Replik darauf sind in den nachfolgenden PDFs herunterzuladen.
Kritik im Jahrbuch für Geotheanismus 2015 (C.A. Mai) | |
Replik im Jahrbuch für Geotheanismus 2015 auf die Kritik von C.A.May (T. Marti) |