Bewegungsentwicklung bei 10- bis 14-jährigen Kindern
Eine empirische Studie zur Entwicklung und Bedeutung der Händigkeit und Füßigkeit
Im Rahmen einer früheren Studie zum Entwicklungstand bei 9-jährigen Kindern am Ende der 2. Klasse hat sich ergeben, dass die Seitendominanz der Hände weitgehend stabil ist und ungefähr mit der für Erwachsene bekannten Häufigkeit auftritt. Unterschiedlich dazu waren jedoch die Ergebnisse für die Seitigkeit der Beine und Füße (Marti 2008). Dies könnte auf eine cranio-caudale Entwicklung der Bewegungskoordination hindeuten ("vom Kopf in Richtung Füße"), wie sie generell für die Körperentwicklung bekannt ist. Dieser Umstand könnte in Verbindung mit der Metamorphose der vitalen Organisation („Geburt des Ätherleibes“, Steiner 1907) stehen, die demnach ebenfalls vom Kopf zu den Füßen hin fortschreiten würde.
Da in der anthroposophischen Menschenkunde die seelisch-geistige Entwicklung in enger Wechselwirkung mit der leiblich-körperlichen Entwicklung des Kindes aufgefasst wird (Steiner 1919), stellt sich an dieser Stelle die Frage nach dem Zusammenhang der Bewegungsentwicklung mit der Entwicklung des Denkens im Jugendalter (logische Denkschritte, kausales Erklären, eigenständige Urteilsbildung). Für die Pädagogik bei beginnender Pubertät dürfte eine leibliche Begründung dieses Zusammenhangs einen menschenkundlich-didaktischen Erkenntnisgewinn darstellen.
Die vorliegende Studie untersucht den Verlauf in der Entwicklung der Seitendominanz von Händen und Füßen bei Kindern vom 10. bis 14. Lebensjahr. Die Ergebnisse sollen von mehreren Seiten her beleuchtet, diskutiert und auf ihre pädagogische Relevanz hin untersucht werden. Daraus ergeben sich Fragen für weitere Untersuchungen.
Zusammenfassung der Ergebnisse: Bei 954 Schülerinnen und Schülern der 5. bis 8. Klasse aus 14 Rudolf Steiner- oder Waldorfschulen in Deutschland und der Schweiz wird mittels Selbstbeobachtungsbogen die Seitenpräferenz von Händen und Füßen untersucht. Dabei zeigt sich, dass die Seitendominanz der Hände stabil ausgeprägt ist, die Füßigkeit in der untersuchten Zeitspanne dagegen weniger ausgeprägt und durch eine leichte Abnahme der Seitendominanz bzw. Zunahme der Bilateralität gekennzeichnet ist.
Für eine phänomenologische Interpretation der Ergebnisse wird der Deutungshintergrund aufgearbeitet und aufgezeigt, dass die funktionelle Lateralisierung der Bewegung ein spezifisch anthropologisches Phänomen darstellt. Diskutiert werden die Ergebnisse schließlich im Hinblick auf einen Hinweis Steiners (1921, GA302), wonach das logische Schließen und kausale Denken in Zusammenhang mit den Beinen und Füßen zu verstehen sei und methodisch-didaktisch berücksichtigt werden müsse.
Die Publikation ist erschienen in:
RoSE Research on Steiner Education, Volume 2 Number 2 pp. 66-88 December 2011, Hosted at www.rosejourn.com
Thomas Marti: Bewegungsentwicklung bei 10- bis 14-jährigen Kindern
Eine empirische Studie zur Entwicklung und Bedeutung der Händigkeit und Füßigkeit
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